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Darum geht es

 

 

 

Niederwild, das ist ja für uns Münsterländer etwas Altbekanntes. Hase, Fasan und Co., das ist das Niederwild unserer Heimat.

 

Niederwild ist aber darüber hinaus auch ein Bioindikator, dieser Begriff ist dann doch nicht so geläufig, er bedarf der näheren Erläuterung. Der Duden erklärt es eigentlich recht gut. Danach ist ein Bioindikator ein Organismus, der sehr empfindlich auf Änderungen in seinem Lebensraum reagiert und dadurch als Anzeiger für die Umweltqualität dienen kann. Wenn wir unser Niederwild, also Hase, Fasan und Co. als einen solchen Zeiger ansehen, dann erklärt sich die Überschrift geradezu von selbst. Wie steht es denn aktuell um das Niederwild im Kreis Borken? Selbst der größte Optimist muss heute attestieren, dass es schon deutlich bessere Zeiten gegeben hat. Im letzten Jahr fehlte, so konnte man es überall hören, der Hase und in diesem Jahr sind die Fasanen sehr knapp geworden. Jäger jagen bewusst und nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit, d. h., dass in den Jagdjahren 2010/11 und 2011/12 nicht wenige Treibjagden in unserer Region abgesagt worden sind, um das Wild zu schonen. Sind das kurzfristige Ereignisse, die im nächsten Jahr schon wieder verschwunden sind?  Wie war nun die Entwicklung in den letzten 4 Jahren bei unseren Hauptniederwildarten? Die Streckenlisten sind dabei eine wichtige Grundlage und diese geben für die letzten 4 Jagdjahre folgendes Bild:

 

     2007/08  2008/09  2009/10  2010/11
           
   Hase *  18000  16200  16000  14000
   Kanin *  13000  12500  18600  18200
   Fasan *  20600  14500  17500  12000

 

 *  jeweils gerundet    Quelle: Jahresberichtsheft KJS Borken

 

Mit Ausnahme der Kaninchen, die scheinbar ihre Resistenz im Hinblick auf die Myxomatose und die so genannte Chinaseuche erhöht haben, haben sich die Situation bei Hase und Fasan verschlechtert. Ausgehend vom JJ 2007/08 ist die Strecke beim Hasen um rd. 22% gesunken, die vom Fasan hat sich sogar um etwa 42 % reduziert. Das sind Zahlen, bei denen man nicht mehr ruhig sitzen bleiben darf.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass der Bestand wild lebender Tiere nicht immer konstant ist, also einer „Geraden“ gleicht. Vielmehr haben wir hier es mit einer „Wellenlinie“ zu tun, die die Bestandszahlen wiedergibt, mal haben wir eine größere Population, mal ist sie kleiner. Aber hier, beim Niederwild, erleben wir seit Jahren einen Trend und der insgesamt bergab geht. Wo liegt der Grund, bzw. wo liegen die Gründe, denn bei wildlebenden Tieren spielt nicht ein Faktor die ausschlaggebende Rolle, vielmehr sind es in der Regel mehrere Punkte die hier zusammen kommen.

 

Stets spielt bei Wildtieren das Wetter eine große Rolle. Haben wir in der Zeit der Aufzucht der Jungen schlechte Wetterverhältnisse, so kann man das sehr schnell im Bestand bzw. im Besatz feststellen. In diesem Jahr hatten wir ein nasses und kaltes Frühjahr/Frühsommer, also Witterungsverhältnisse die keinesfalls als optimal zu bezeichnen waren.

Einfluss auf die Population des Wildes hat natürlich auch das Raubwild, die Beutegreifer oder wie man „Neudeutsch“ sagt, die Prädatoren.  Die Bejagungsintensität der Prädatoren ist, wenn man auf die Streckenergebnisse der letzten Jahre im Kreis Borken schaut,  etwa gleichbleibend hoch. Ein sprunghafter oder auch stetiger Anstieg des Raubwildes kann also nicht attestiert werden.

Diese beiden Faktoren treffen keine Aussagen über den dargestellten stetigen  Rückgang des Niederwildes. Das Wetter ist in den Jahren unterschiedlich, daraus lässt sich kein Trend ableiten. Die Prädatorenbejagung ist gleichbleibend, auch daraus ist keine Veränderung abzuleiten.

 

Für alle frei lebenden Tiere und das trifft natürlich auch auf unser Niederwild zu, ist die Qualität ihres Lebensraumes von grundsätzlicher Bedeutung. Ist ausreichend Nahrung da, sind Ruhebereiche da, ist Deckung zum Schutz vorhanden? Diese Liste könnte jetzt noch erweitert werden und damit stellt sich automatisch die Frage: „Wie steht es um den Lebensraum des Wildes?  Hat sich da etwas verändert?“

Jeder der mit offenen Augen durch die Landschaft und damit durch unsere Reviere geht wird dies leicht beantworten können. Noch vor wenigen Jahren häufige Tier- und Pflanzenarten sind heute selten geworden. Das Feldhuhn ist, wenn es überhaupt noch existent ist, an die Ortsränder gezogen. Kornblumen und Klatschmohn kommen kaum noch vor. Für die Feldlerche versuchen wir mit „Lerchenfenstern“ etwas zu erreichen und Feldsperlinge haben sich auch davon gemacht.

Woran liegt dieser Schwund?  Landschaft sieht sich heute vielfältigen Nutzungsansprüchen gegenübergestellt. Das sind einmal wir Menschen mit unseren Flächenansprüchen. Wir benötigen Wohnsiedlungen, die Arbeitsstätten (Gewerbe und Industrie) müssen wachsen, wir sind eine mobile Gesellschaft, die Verkehrswege  fordert und unsere Wohngebäude sind so energieeffizient und damit so abgedichtet, dass keine Schwalbe und keine Eule noch einen Nistplatz finden kann. Wir haben weiter Freizeitbedürfnisse, wir wollen uns nach Arbeitsschluss, am Wochenende und im Urlaub in der Landschaft bewegen – Joggen, Nordic Walking, Freizeitreiten, Geocaching u. v. a. m., das sind heute die Schlagworte nach denen sich die Bürgerinnen und Bürger draußen in den Revieren bewegen.

Daneben zwingt die Globalisierung und Regelungen der EU-Agrarpolitik unsere heimische Landwirtschaft zu immer weiteren Rationalisierungen. Wachsen oder Weichen, das ist die Devise. Langsam verändert sich  unsere bäuerliche Landwirtschaft zur Agrarindustrie, die Bilder sagen mehr als viele Worte.

Der sprunghaft angestiegene Anbau von Mais führt zu einer neuen Monotonie in der Landschaft. Der häufige Grasschnitt, mit breiten Erntemaschinen zur Nachtzeit und hoher Geschwindigkeit, mit den folgenden Gülleausbringungen ist nicht Wildtier fördernd. Es fehlen die kleinen ungenutzten Streifen und Ecken, in denen Hase und Fasan, aber auch viele andere Tiere Deckung und Ruhe finden. Bringen wir mit unseren Intensivtierhaltungen die Krankheiten der „Haustiere“ zu den Wildtieren, denen jedoch kein Tierarzt hilft? Sind die Pflanzenbehandlungsmittel alle wirklich so unschädlich? Wenn man wir an das Bienensterben in Baden-Württemberg denken oder wenn wir hören, dass ein Jagdhund im Verlauf einer Nachsuche durch ein Getreidefeld mit Vergiftungssymptomen stirbt, kommen Zweifel auf.

Es wäre falsch hier einseitig Schuld zu zuweisen. Viele Gründe greifen ineinander und sind verantwortlich. Die Wissenschaft hat uns in unserem Bemühen um den Erhalt einer artenreichen Feldflur und damit um den Erhalt unseres Niederwildes bisher noch nicht ausreichend mit gesicherten Erkenntnissen versorgt. Klar ist jedoch, der Biotop des Wildes hat sich nachteilig verändert. Wir Jäger sind aufgerufen gemeinsam mit unseren Partnern insbesondere in Land- und Forstwirtschaft, mit den Imkern und mit dem Naturschutz positive Akzente in der Landschaft, für den Artenreichtum zu setzen. Bei unseren Nachbarjägerschaften in der Grafschaft Bentheim und im Emsland haben wir ein bemerkenswertes Vorbild aktiven Einsatzes gefunden. Diesem Vorbild sollten  wir im Kreis Borken folgen. Eine Besichtigungsfahrt des erweiterten Vorstandes unserer Kreisjägerschaft im Spätsommer 2012 und die Gespräche mit den dortigen Verantwortlichen haben gute Erkenntnisse gebracht.

Wenn nicht wir Jäger, wer soll sich sonst  für unser Niederwild und die artenreiche Feldflur einsetzen und wenn wir es jetzt nicht tun, wann wäre sonst der richtige Zeitpunkt.

 

 


Roland Schulte (stellv. Vorsitzender)

Bildquelle: Frank Hans (www.natur-gesichtet.de)